Unternehmen benötigen Rohstoffe oder Waren zur Herstellung ihrer Produkte. Die Einkäufe bei den Lieferanten lassen sich am günstigsten sofort unter Abzug von Skonto bezahlen. Damit die Hersteller den Skontoabzug nutzen können, müssen sie über ausreichende Liquidität verfügen. Die liquiden Mittel fehlen jedoch häufig oder sind mit hohen Kosten für die Überziehung des Geschäftskontos verbunden. Eine Lösung bietet die Einkaufsfinanzierung, die sowohl von Banken als auch von Finanzdienstleistern und Factoringunternehmen angeboten wird.
Was ist eine Einkaufsfinanzierung?
Bei dieser Form der Unternehmensfinanzierung handelt es sich um eine Vorfinanzierung der Wareneinkäufe. Die Betriebe können sowohl den Lagerbestand als auch die Werkstoffe zur Herstellung ihrer Produkte finanzieren. Dazu bietet der Finanzmarkt drei verschiedene Arten der Einkaufsfinanzierung an.
Welche Arten von Einkaufsfinanzierung gibt es?
Um für jedes Unternehmen die passende Finanzierungsform zu finden, können Unternehmen bei ihrer Bank oder bei einem Finanzdienstleister einer dieser Einkaufsfinanzierungen beantragen:
Klassische Einkaufsfinanzierung
Die klassische Finanzierungform beantragen Unternehmen bei ihrer Hausbank oder bei einer anderen Bank, die eine günstige Einkaufsfinanzierung im Angebot hat. Häufig handelt es sich um eine Kreditlinie, die der Betrieb bis zu einem Höchstbetrag ausnutzen kann. Es besteht aber auch die Möglichkeit, einen Kredit mit einer langen Laufzeit zu vereinbaren. Die Bank verlangt Sicherheiten wie die Verpfändung des Lagers für die klassische Form der Einkaufsfinanzierung.
Finetrading
Beim Finetrading kauft ein Zwischenhändler, auch Finetrader genannt, im Auftrag des Herstellers die benötigten Waren ein. Der Lieferant stellt die Rechnung an den Finetrader aus und erhält sofort sein Geld. Gleichzeitig räumt der Zwischenhändler dem Käufer ein längeres Zahlungsziel von 90–120 Tagen ein, bis zu dem die Rechnung beglichen sein muss. In der Zwischenzeit kann das Unternehmen die Produkte herstellen und aus dem Verkaufserlös die Rechnung des Finetraders bezahlen.
Reverse Factoring
Reverse Factoring ist die umgekehrte Form des klassischen Forderungsverkaufs. Beim normalen Factoring verkauft ein Unternehmen offene Rechnungen mit Zahlungsziel an einen Factor. Beim Reverse Factoring sorgt der Abnehmer dafür, dass der Factor die offenen Lieferantenrechnungen ankauft. Anders als beim Finetrading ordert ein Unternehmen die benötigten Rohstoffe selbst bei den Lieferanten. Nach Erhalt der bestellten Ware leitet der Käufer die Rechnung an den Factoringanbieter weiter. Der Lieferant erhält den Rechnungsbetrag von dem Factor. Bei Erreichen des Zahlungsziels überweist der Käufer die Rechnungssumme an das Factoringunternehmen.
Unterschiede zwischen Einkaufsfinanzierung und Factoring
Hier eine Aufstellung der wichtigsten Unterschiede zwischen Reverse Factoring, Finetrading und normalem Factoring:
- Anzahl der Verträge: Beim normalen Factoring und Finetrading schließen Finanzdienstleister und Kreditor einen Vertrag ab. Beim Reverse Factoring vereinbart der Factor sowohl mit dem Lieferanten als auch mit dem Abnehmer einen separaten Vertrag.
- Bonitätsprüfung: Bei einem herkömmlichen Forderungsverkauf prüft der Factoringanbieter die Bonität der Debitoren. Beim Reverse Factoring ist die Bonität des Käufers entscheidend.
- Art des Geschäfts: Finetrading ist ein Handelsgeschäft, während Factoring eine erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung darstellt.
Eignet sich Einkaufsfinanzierung für mein Unternehmen?
Die modernen Formen der Einkaufsfinanzierung eignen sich sowohl für Großbetriebe als auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Durch die Vielzahl von Anbietern und die mögliche Unabhängigkeit von einer Bank finden auch Start-ups und Existenzgründer in vielen Fällen einen Anbieter. Eine Einkaufsfinanzierung eignet sich vor allem für Unternehmen mit diesen Anforderungen:
- Ihre Kunden fragen nach langen Zahlungszielen, was Ihre Liquidität belastet. Um neue Ware zu ordern, können Sie einen Finetrader als Zwischenhändler einschalten.
- Sie benötigen eine größere Menge an Saisonware oder ein Kunde hat Ihnen einen Großauftrag erteilt. Um die benötigten Rohstoffe zu finanzieren, vermitteln Sie durch Reverse Factoring den Ankauf der Lieferantenrechnungen durch einen Factoringanbieter. Ihr Lieferant erhält sofort sein Geld, während Ihnen der Factor ein großzügiges Zahlungsziel von bis zu 120 Tagen einräumt.
Für diese Branchen ist eine Einkaufsfinanzierung optimal
Unternehmen mit einem hohen Lagerbedarf oder einem großen Materialbedarf können die Einkaufsfinanzierung nutzen. Dazu zählen vor allem Betriebe aus diesen Bereichen:
- Handel, besonders mit Saisonartikeln
- Maschinenbau
- Chemische Industrie
- IT und EDV
- Medienunternehmen
- Druckereien und Verlage
Diese Vorteile bietet die Einkaufsfinanzierung
Zu den Vorteilen einer Einkaufsfinanzierung gehören eine steigende und stabile Liquidität sowie eine schnelle und flexible Reaktion auf Veränderungen am Markt. Sie können Einkaufsvorteile und Rabatte nutzen und passend zur Saison oder zu Ihren Kundenaufträgen die benötigten Waren einkaufen. Da die meisten Einkaufsfinanzierungen unabhängig von den Banken sind, müssen Sie keine Sicherheiten stellen. Die Bonität Ihres eigenen Unternehmens sowie die Kreditwürdigkeit Ihrer Kunden reichen in der Regel aus. Das macht sich auch in den Kosten bemerkbar, die niedriger als bei einem Bankkredit ausfallen können. Außerdem hat die Einkaufsfinanzierung diese positiven Auswirkungen auf die Bilanz Ihres Unternehmens:
- Ausweis als kurzfristige Verbindlichkeiten, nicht als Fremdkapital wie bei einem Bankkredit
- die finanzierte Ware zählt zum Umlaufvermögen und verkürzt damit die Bilanz
- eine verkürzte Bilanz sorgt für eine stärkere Eigenkapitalquote und damit für ein besseres Rating
Muss ich Nachteile beachten?
Im Gegensatz zum herkömmlichen Factoring müssen Unternehmen beachten, dass sich eine Einkaufsfinanzierung nicht zur Deckung der laufenden Kosten für Gehälter, Miete oder Versicherungsbeiträge eignet. Die Kosten beim Überschreiten des Zahlungsziels bei der klassische Einkaufsfinanzierung können hoch ausfallen und der Kreditgeber verlangt Sicherheiten. Beim Reverse Factoring müssen zwei separate Verträge abgeschlossen werden, während beim herkömmlichen Forderungsverkauf ein Vertrag zwischen Factor und Kreditor ausreicht.